Zur Person
Sebastian Russ ist Produktmanager bei Tudock und Experte im Bereich Suche und Navigation in Onlineshops. Er ist Co-Organisator der MICES, die jährlich die internationale E-Commerce-Suche-Community in Berlin zusammenbringt. Seine Leidenschaft für Suchtechnologie spiegelt sich in einer Vielzahl von Suchprojekten wider, sowohl mit SaaS- als auch mit Open-Source-Lösungen. Angetrieben von Neugier und der herausfordernden Natur des Themas Suche setzt sich Sebastian für die Zusammenarbeit zwischen Technologie, Business und Design ein, da er davon überzeugt ist, dass in dieser Kombination die besten Ergebnisse erzielt werden.
Hallo Sebastian. Kunden kommen zu Euch, wenn sie ihre interne Shopsuche optimieren lassen wollen. Doch wie erkennt der Shopbesitzer überhaupt, dass seine Produktsuche eine Überarbeitung nötig hat. Wie findet er die Schwachstellen der internen Suche seines Online-Shops?
Oft genügt es schon, sich erstmal in die Lage des Kunden zu versetzen. Ich nehme jetzt mal an, dass jeder der im E-Commerce arbeitet, auch selbst gelegentlich online einkauft oder zumindest nach Produkten oder Informationen sucht. Für die Onsite-Search ganz wichtig sind die KPIs. Das geht dann aber schon einen Schritt weiter.
Ich möchte kurz nachhaken, Du sagtest gerade Onsite-Search. Damit meinst Du die interne Suchfunktion, richtig?
Ja, genau. Onsite-Search umfasst alles, was mit der Suche nach Produkten zu tun hat. Streng genommen das Suchfeld, den Suggest, also die Vorschlagsfunktion einer Suche, und die Suchergebnisseiten mit den Filteroptionen, die Sortierung der Darstellung der Produkte etc. In der Praxis geht es dann über das Thema Ranking und Filter hinaus auch um die Kategorieseiten.
Danke für die Erläuterung! Zurück zu den angesprochenen KPIs. Was versteht man darunter und welche Rolle spielen diese beim Thema Suche?
KPIs bzw. Key Perfomance Indicators sind Leistungskennzahlen. Diese machen sichtbar, ob ob Maßnahmen ihren Zweck erfüllen und in welchem Umfang vorgegebene Ziele erreicht werden. Bei der Suche sehen wir uns da zum Beispiel die Conversion Rate an. Weitere wichtige Kennzahlen sind aber auch die Null-Treffer- oder die Ausstiegsquote sowie der Wert eines Such-Visits. Wobei man als Shopbetreiber hier vor dem Problem steht, keine vergleichbaren Zahlen der Mitbewerber zu haben. Das heißt, es ist schwer, aus einer isolierten KPI eine Aussage zur Qualität der Suche zu machen. Am besten ist daher ein systematischer Benchmark mit Mitbewerbern. Da macht es dann Sinn, uns als Experten dazu zu holen, um den Status Quo aus einer breiteren Marktübersicht zu bewerten.
Klingt alles sehr aufwändig. Reicht Google als Suchfunktion nicht völlig aus?
Nein. Google oder andere Suchmaschinen sind zwar die erste Anlaufstelle für den Kunden und führen ihn in den Online-Shop. Dann kommt jedoch die interne Suche ins Spiel.
Inwiefern?
Der Kunde beginnt jetzt, das Angebot zu entdecken, vielleicht auch gezielt nach anderen Produkten zu suchen, die ihm gerade spontan einfallen. Oder er hat Fragen zum Serviceangebot oder möchte sein Produkt mit anderen vergleichen. All das wird mit einer guten Suchfunktion erleichtert.
Und was zeichnet eine gute Suchfunktion aus?
Die interne Suchfunktion muss den Kunden schon bei der Formulierung der Suchbegriffe über Vorschläge unterstützen. Gerade mobil ist das enorm wichtig. Im nächsten Schritt müssen die Ergebnisse möglichst präzise und trotzdem tolerant zum Beispiel gegenüber Tippfehlern ausgespielt werden. Relevant werden ab dann auch die Darstellung der Suchergebnisse, diverse Sortieroptionen und Facetten zum Filtern. Aus technischer Sicht ist die Performance extrem wichtig. Unnötig lange Anwortzeiten der Suchvorschläge, Suchergebnisse oder nach dem Setzen eines Filters wirken sich negativ auf die Conversion Rate aus.
Warum ist das alles für den Kunden wichtig?
All das hilft ihm, die Suchergebnisse zu erkunden und weiter einzuschränken. So findet er schneller das Produkt, das er haben möchte.
Kunden, die die Suche nutzen, erwarten heute eine hohe Qualität der Suchergebnisse. Wie gut Suche funktionieren kann erlebt jeder online im Alltag über Google und andere Suchmaschinen und Dienste. Shops investieren enorm viel Ressourcen in Marketing, SEO und SEA, da ist es umso wichtiger, aus den gewonnenen Visits zufriedene Kunden und Bestellungen zu generieren.
Du sagtest gerade, es sei besonders mobil wichtig, dass die Suchfunktion den Kunden unterstützt. Kannst du das konkretisieren? Was war für dich persönlich das beste Nutzererlebnis bei einer mobilen Suche?
Als Google Maps mobil die Möglichkeit eingeführt hat, über die Suchvorschläge direkt eine Hausnummer hinzuzufügen, bevor die Suche selbst abgeschickt wird. Das war ein Feature, das leicht umzusetzen war und das für mich als Nutzer einen enormen Mehrwert gebracht hat. Seitdem achte ich noch stärker auf vermeintliche Kleinigkeiten. Das zeigt, dass die Komplexität einer Lösung nichts über den Mehrwert für den Kunden aussagt. Entscheidend ist, ob man ein Kundenbedürfnis überhaupt erkennt und wie man die Suche dann für die Nutzer dahingehend verbessert.
Wie er seine Schwachstellen findet, weiß unser hypothetischer Shopbesitzer nun. Was könnt Ihr von Tudock machen, um diese zu beheben?
Da gibt es unzählige Möglichkeiten. Wichtig ist, erstmal zu bestimmen, wo die Schwächen liegen und welche Maßnahmen für den Shop wie hoch priorisiert werden sollten. Jeder Shop ist da anders und jedes Sortiment hat seine Herausforderungen. Ganz allgemein gilt aber für jeden Shop, eine gute Balance zwischen Suchrelevanz und Geschäftszielen zu finden. Die Suche sollte so angepasst werden, dass sie häufige Suchmuster gut beantwortet.
Kannst Du uns Beispiele dafür geben?
Ein Beispiel sind Artikelnummernsuchen im B2B oder die Suche nach Modellnummern im Elektronikbereich. Diese Suchmuster spielen dort eine große Rolle, sind in einem Fashion Shop aber völlig irrelevant.
Aber wieso sollte ich als Shopbetreiber euch als Experten hinzuziehen? Kann ich das nicht auch intern abbilden?
Ja, das geht. Ich denke, am besten ist es, wenn ein interner Produktmanager über einen längeren Zeitraum von uns mit Wissen und Erfahrung unterstützt wird. Wir sehen, dass jedes Suche-Projekt grundsätzlich sehr ähnliche Herausforderungen mit sich bringt. Sowohl technologisch als auch intern beim Kunden. Wir helfen, Sackgassen zu vermeiden. Die steile Lernkurve beim Thema Suche kann mit unserer Hilfe vom Shopbetreiber viel besser und effizienter bewältigt werden. Und dann ist natürlich auch die Frage, ob intern überhaupt die Kapazitäten vorhanden sind, das Thema abzubilden.
Das heißt, Ihr begleitet Eure Kunden auch noch nach der Umsetzung der Onsite-Search, richtig?
Richtig. In der Regel begleiten wir unsere Kunden über längere Zeiträume, um beim Betrieb und der Weiterentwicklung der Suche zu unterstützen. Dazu zählt dann neben der Optimierung und dem KPI-basierten Reporting auch die konzeptionelle Weiterentwicklung des Produktes über ganz neue Features, etc.
Was bringt mir als Shopbesitzer die Optimierung der internen Suchfunktion?
Je nachdem, auf welchem Qualitätsniveau man bei der Suche startet, kann man den Umsatz pro Visit erheblich verbessern. Faktoren wie Imagegewinn und Kundenzufriedenheit sind nicht oder nur schwer nachweisbar. In der Regel spiegelt sich Zufriedenheit aber auch intern beim Shopbetreiber wider.
Und was genau macht Ihr, um die Suche zu optimieren?
Wir identifizieren Optimierungspotenziale, empfehlen Lösungen dafür und setzen diese um oder unterstützen bei der Umsetzung und dem Testing. Bleiben wir bei dem einfachen Beispiel mit den Artikelnummern: Hier bestimmen wir das Suchvolumen für Artikelnummernsuchen und prüfen die aktuelle Qualität der Ergebnisse. Ist die Artikelnummernsuche noch nicht ideal, finden wir gemeinsam mit dem Kunden Lösungen und testen diese systematisch durch. Anschließend kann die neue Suchkonfiguration live gehen, und die Kunden können besser nach Artikelnummern suchen.
Wenn mir nun also als Shopbetreiber meine aktuelle Suchlösung nicht mehr ausreicht und ich eine neue Suchfunktion in meinen Online-Shop integrieren lassen möchte. Wie geht Ihr das Projekt konkret an?
Wenn die Entscheidung der Suchlösung noch offen ist, definieren wir gemeinsam mit dem Kunden die individuellen Anforderungen des Shops und evaluieren die am besten geeignete Suchlösung. Wichtig dabei ist natürlich auch die strategische Ausrichtung des Shopbetreibers. Steht die Entscheidung für eine Suchlösung fest, testen wir systematisch verschiedene Konfigurationen der Suche. um schnellstmöglich zu einer guten Grundkonfiguration zu kommen. Danach übernehmen oder begleiten wir den Betrieb, also den täglichen Umgang mit der Suche, die Optimierung über Synonyme etc. Je nach Projekt übergeben wir das Thema dann an einen internen Produkt- oder Betriebsmanager oder begleiten den Kunden über Jahre hinweg beim Betrieb und der Weiterentwicklung der Suche.
Welche Themen im Bereich Onsite-Search interessieren dich besonders? Wo denkst du, liegt der Schlüssel zum Erfolg beim Thema Produktsuche?
Aus fachlicher Sicht interessiert mich das Thema Ranking der Suchergebnisse und Kategorieseiten besonders. Das ist ein komplexes Thema mit vielen unterschiedlichen Stakeholdern, das Kreativität erfordert. Das Ranking ist der Faktor, der über die Sichtbarkeit von Produkten entscheidet und das Kaufverhalten mitprägen kann. Beim Thema Ranking wird auch deutlich, was über Erfolg und Misserfolg von Suche-Projekten entscheidet, nämlich Transparenz und Kommunikation. Beim Thema Suche treffen hohe Erwartungen auf hohe Komplexität bei der Umsetzung. Da ist Kommunikation und Wissenstransfer der Schlüssel zum Erfolg.
Welche Trends gibt es beim Thema Suche? Wo siehst du die Zukunft der Produktsuche?
Ich glaube, dass zukünftig dem Sucherlebnis als Ganzem mehr Beachtung geschenkt wird.
Was meinst Du damit?
Gefühlt werden Daten-, Relevanz- und Usabilityprobleme noch getrennt betrachtet. Die Grenzen aber werden immer weiter verschwimmen, je mehr Fortschritte in den einzelnen Bereichen gemacht werden.
Grenzen verschwimmen, ein schöner Ausdruck. Es geht demnach primär um Veränderung.
Genau, das sieht man zum Beispiel auch bei Dauerthemen wie der Personalisierung oder dem Learning to Rank. Um hier über die Buzzwords hinaus zu echten Lösungen zu kommen, haben die meisten Shopbetreiber noch viel Arbeit vor sich. Beim Thema Personalisierung wird neuerdings viel mehr über Datenhoheit, Transparenz und mögliche Vorurteile in Algorithmen diskutiert. Da Lösungen zu finden, finde ich sehr interessant, und ich bin überzeugt, das werden die bestimmenden Themen im Bereich Suche bleiben.
Verstehe. Es geht also darum, eine Gratwanderung zwischen Individualität und technologischer aber auch ethischer Machbarkeit zu schaffen. Vielen dank für diesen spannenden Ausblick und das tolle Interview, Sebastian!
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