Laut der Zeitschrift Cosmopolitan zählen Jeansjacken und Hosenträger zu den Modetrends 2022. Derlei Retro-Trends finden in diesem Artikel ab jetzt keinen Platz mehr. Denn das Herzstück von E-Commerce-Trends sind die technischen Innovationen. Gesellschaftliche Veränderungen spielen aber eine genauso große Rolle. Im Jahr 2021 erfuhr der Onlinehandel einen Ruck in Richtung Nachhaltigkeit. Außerdem zog das Smartphone auf die Überholspur und ist erstmals das beliebteste Shopping-Gerät. Laut einer Bitkom-Studie nutzen 60 Prozent der Befragten ihr Handy zum Einkaufen. 2020 waren es noch 54 Prozent.
Neben einzelnen Trends war auch der E-Commerce insgesamt 2021 sehr erfolgreich. Durch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Geschäftsschließungen shoppen immer mehr Menschen in Deutschland online. 43 Prozent kaufen seit der Krise häufiger im Internet als zuvor. Zudem werden die Menschen langsam experimentierfreudiger. Neben Kleidung oder Elektronik kaufen sie vermehrt auch Lebensmittel oder Medikamente online und testen neue Services aus. 87 Prozent der Befragten gaben an, auch über die Pandemie hinaus vermehrt online einkaufen zu wollen. E-Commerce boomt – und dennoch liegt noch viel Entwicklungspotenzial brach. Einige Innovationen könnten 2022 den Durchbruch schaffen. Das sind die drei wichtigsten Trends für das kommende E-Commerce-Jahr.
3 Trends: Was uns 2022 im E-Commerce erwartet
1. Voice Commerce
Der mobile Kauf gewinnt immer mehr an Bedeutung. Shopping übers Handy steht heute laut Statistik an der Spitze der Bestellwege im E-Commerce. Ihr Smartphone haben die meisten potenziellen Online-Käufer schließlich stets zur Hand. Viel einfacher wird es nicht mehr – oder doch? Voice Commerce ist der nächste Entwicklungsschritt: Shopping per Sprachsteuerung, ganz ohne Hardware, ganz ohne Tippen oder Swipen. Voice Shopping funktioniert über sämtliche Geräte mit Sprachassistent, also Smartphones, Tablets oder sprachaktivierte Geräte wie Siri (Apple), Alexa (Amazon), Cortana (Microsoft) oder Google Home. 2021 nutzten laut Bitkom erst zwei Prozent der Menschen in Deutschland diese Technologie. Der niedrige Prozentsatz liegt aber auch am bisher spärlichen Voice-Shopping-Angebot. Das Potenzial ist so riesig wie Voice Shopping einfach.
Sie starten den Kaufprozess mit einem Befehl wie „Hey, Siri …” oder „Alexa …” und einem Triggerwort wie „bestelle”. Für den Fall, dass Sie einen neuen Duschvorhang brauchen, sagen Sie also: „Alexa, bestelle einen Duschvorhang.” Der Sprachassistent liefert dann einen Produktvorschlag, nennt den Preis und fragt, ob er dieses Produkt für Sie bestellen soll. Ein „Ja” reicht, um den Bestellvorgang abzuschließen. Fertig. Aber bestellt man so nicht nur Amazon-eigene Produkte? Es kommt auf eine differenzierte Formulierung an. Durch Befehle wie “Alexa, frag Firma XY nach Angeboten für Duschvorhänge” gelangt man auch zu anderen Anbietern.
Shopping ohne Haptik ist mittlerweile etabliert. Das Einkaufen, ohne die Produkte auch nur auf einem Bildschirm zu sehen, wirkt allerdings noch befremdlich. Die Bequemlichkeit des sprachgesteuerten Shoppings ist jedoch unschlagbar. Auch in Sachen Effizienz punktet der Voice Commerce: Menschen hören bereits Nachrichten-Podcasts oder Hörbücher während der Hausarbeit oder Workouts. Wieso also nicht den Wocheneinkauf kurz einsprechen?
Die größten Herausforderungen des Voice-Shoppings sind mangelndes Wissen und Vertrauen. Der Voice-Commerce-Trend gewinnt jedoch immer mehr an Rückenwind und wird 2022 weiter an Fahrt aufnehmen.
2. Augmented Reality und Virtual Reality
Während Voice Commerce die Verbindung zum stationären Handel endgültig kappt, versuchen Onlinehändler mit Hilfe von Augmented (AR) oder Virtual Reality (VR) das Kundenerlebnis im Laden zu simulieren. Anfassen und Anprobieren, die großen Trümpfe des stationären Handels, sind im E-Commerce nicht möglich. AR und VR bringen Kunden dieses Gefühl aber sehr nahe.
Augmented Reality bedeutet die durch Bilder, Videos, virtuelle Objekte oder sonstige Zusatzinformationen erweiterte Realität. Unter Virtual Reality versteht man eine computergenerierte Schein-Wirklichkeit. Durch die Anwendung von AR und VR werden im E-Commerce 3D-Ansichten, virtuelle Anproben und Showrooms möglich.
Augmented Reality ist bereits vielerorts in unseren Alltag integriert, ohne dass wir die Technologie als solche wahrnehmen. Wenn bei einer Fußballübertragung die Entfernung eines Freistoßes bis zum Tor eingeblendet wird, ist das AR. Dafür ist keine zusätzliche Hardware nötig. Virtual Reality hingegen erfordert die Nutzung einer VR-Brille. Das kann aufgrund des Preises ein Hindernis für viele Menschen sein. Laut der Bitkom-Studie zur Zukunft der Consumer Technology 2021 können sich jedoch 41 Prozent der über 16 Jahre alten Deutschen eine künftige Nutzung von VR-Brillen vorstellen – ein enormes Potenzial für den Onlinehandel.
3. Social Commerce
Wie viele Minuten am Tag verbringen Sie in sozialen Medien? Oder eher: Wie viele Stunden?
Nach Angaben des Marktforschungsunternehmens GWI investierten Deutsche 2020 im Schnitt 1:24 Stunden pro Tag auf Facebook, Instagram, LinkedIn, TikTok und Co. Im Vergleich zu anderen Ländern ist das sogar noch wenig Zeit: In China sind es 2:01 Stunden pro Tag, auf den Philippinen sogar 4:05 Stunden.
Social Commerce holt potenzielle Käufer also dort ab, wo sie ohnehin schon längere Zeit sind. Generell meint Social Commerce den Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen über soziale Medien. Die Idee dahinter: Die User können sich in einem vertrauten Umfeld Produkte ansehen, recherchieren und selbst die Kaufabwicklung abschließen, ohne die Social-Media-Plattform auch nur einmal zu verlassen.
Im Social Commerce ist daher nicht mehr von einer Consumer Journey, sondern vom Consumer Moment die Rede. Das AIDA-Modell wird nämlich komprimiert auf einen Moment. In diesem Modell werden potenzielle Kunden zunächst auf ein Produkt aufmerksam (Attention), entwickeln erst Interesse daran (Interest) und dann den Wunsch (Desire), das Produkt wirklich zu kaufen (Action). Im Social Commerce passiert das anders als in anderen Vertriebsmodellen innerhalb weniger Sekunden. Beim Scrollen durch die Timeline gesehen, für gut befunden und wenige Klicks später gekauft. Das unkomplizierte Kundenerlebnis ist ein großer Pluspunkt des Social Commerce.
Interaktionen gehören in diesem Umfeld weiterhin dazu: Authentische Bewertungen, Likes, Kommentare und Empfehlungen von Freunden oder Influencern treiben die Konversionsrate in die Höhe. Der soziale Aspekt ist nicht zu unterschätzen. 2021 haben laut dem Institut für Handelsforschung Köln 47 Prozent der 16- bis 29-Jährigen ein Produkt gekauft, weil sie durch einen Influencer darauf aufmerksam geworden waren. Auch Algorithmen gehören zu Social Media, heißt: Die Wahrscheinlichkeit, dass User Angebote sehen, die auf ihre Interessen zugeschnitten sind, ist hoch.
Laut IFH Köln haben 43 Prozent aller Befragten 2021 ein Produkt über soziale Medien gekauft. Unter den 16- bis 29-Jährigen waren es sogar 68 Prozent. Und wenn sie gesehene Artikel auch nicht kaufen, so haben sie sie immerhin gesehen. 91 Prozent der 16- bis 29-Jährigen sind 2021 über soziale Medien auf ein Produkt aufmerksam geworden. Vor allem Instagram, TikTok und YouTube spielen im Social Commerce eine große Rolle. Facebook hingegen ist eher bei älteren Zielgruppen ein Big Player.
Apropos Big Player: Bis 2026 sagen Experten einen globalen Social-Commerce-Umsatz von 2,9 Billionen US-Dollar voraus. China wird dabei ein Anteil von über 50 Prozent prognostiziert. Generell entwickelt sich der Social Commerce im asiatischen Raum über Messenger-Dienste wie WeChat sehr gut, dieser Sprung steht Europa noch bevor.
Fazit
Der Trend geht allgemein hin zum E-Commerce – dennoch wird sich der Onlinehandel auch im neuen Jahr wieder neu erfinden und weiterentwickeln, sofern sich Händler auf Innovationen wie Voice Commerce oder Augmented Reality einlassen.
Mit einem Blick in die fernere Zukunft bleibt zu sagen: Die drei beschriebenen Trends zahlen allesamt auf das Omnichannel-Konto ein. Dieser Vertriebsansatz sieht eine einheitliche Consumer Journey auf allen Kanälen vor. Dazu zählen neben dem stationären Handel Online-Shops, Apps, mobile Websites, soziale Medien, aber auch E-Mails: Jeder potentielle Kunde soll überall dort kaufen können, wo es ihm am besten passt.
Omnichannel geht allerdings über den Wortsinn hinaus: Der Ansatz beschreibt das Verschmelzen der physischen mit der digitalen Welt. Den Mix aus State-of-the-Art-Technologie, umfangreichen Kundenanalysen, einem hohen Grad an Personalisierung und Automatisierung. Shopping soll integrativ und nachhaltig sein und Spaß machen. Vom durch und durch nahtlosen „phygital shopping” sind wir noch ein wenig entfernt. Doch die Trends für 2022 ebnen den Weg dorthin.